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Beitrag vom 06.03.2009
Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen
AVIVA-Redaktion
Eine Studie bietet erschreckende Ergebnisse und entkräftigt das Klischee der ungebildeten, sozialschwachen Täter und Opfer. Gewalt gegen Frauen findet "unbemerkt in der Mitte der Gesellschaft statt"
Bundesministerin Ursula von der Leyen: "Gewalt trifft Frauen in allen gesellschaftlichen Schichten"
Frauen werden keineswegs nur in sozialen Brennpunkten von ihrem männlichen Partner geschlagen, vergewaltigt, beschimpft oder gedemütigt. Auch in mittleren und hohen Bildungs- und Sozialschichten werden sie in einem viel höheren Maß Opfer von Gewalt, als dies bislang bekannt war. Das belegt die Studie "Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen", die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 6. März 2009 in Berlin vorgestellt hat.
"Die Ergebnisse der Untersuchung sind erschreckend und müssen uns alle wachrütteln", erklärt die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen. "Gewalt gegen Frauen ist kein Problem am Rande unserer Gesellschaft, sondern findet in allen Schichten mitten unter uns statt. Für viele Frauen sind Schläge, Tritte und Beschimpfungen zu einem entsetzlichen Alltag geworden Wir müssen alles tun, um diese Gewalt zu verhindern und abzuwehren. Die Bundesregierung hat mit dem Aktionsplan II zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mehr als 130 Maßnahmen auf den Weg gebracht. Jetzt müssen wir die Beratung für die betroffenen Frauen weiter verbessern und besonders Angebote für diejenigen schaffen, von denen wir bislang gar nicht wussten, wie sehr sie Opfer von Gewalt werden. Auch Berufsgruppen wie Ärzte/-innen müssen wir weiter für diese Problematik sensibilisieren. Die Polizei muss die neuen Erkenntnisse bei ihren Einsätzen gegen häusliche Gewalt berücksichtigen."
Für die Studie wurden die Fälle von 2.143 Frauen untersucht, die mindestens einen körperlichen und/oder sexuellen Übergriff durch einen männlichen Partner erlebt haben. Mehr als ein Drittel dieser Frauen wurde dabei sogar sehr schwer bis lebensbedrohlich misshandelt (Verprügeln, Zusammenschlagen, Würgen, Verbrühen, Bedrohung oder Verletzung mit einer Waffe, Vergewaltigung).
Die Studie kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen:
1. Trennung oder Scheidung erhöhen deutlich die Gefahr für die Frau, Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch den Partner zu werden. Frauen in dieser Situation benötigen daher gezielte Unterstützung.
2. Die Androhung von Gewalt durch den Mann ist ernst zu nehmen, da die Drohung sehr häufig in die Tat umgesetzt wird.
3. In fast zwei Dritteln der Fälle ist schwerste Gewalt gegen Frauen mit einem erhöhten Alkoholkonsum des Täters verbunden. Bei einem Drittel spielt Alkohol dagegen keine Rolle.
4. Frauen unter 35 Jahren werden häufiger und stärker misshandelt, wenn beide Partner in einer schwierigen sozialen Lage sind, weil beide entweder über kein Einkommen, keine reguläre Erwerbsarbeit oder über keine Schul- und Berufsausbildung verfügen.
5. Frauen über 45 Jahre sind vor allem dann von Gewalt betroffen, wenn sie über eine höhere Bildung verfügen oder wenn sie bei Bildung, Beruf und Einkommen dem Partner gleichwertig oder überlegen sind und damit traditionelle Geschlechterrollen in Frage stellen.
Fast 70 Prozent der Frauen, die von schweren körperlichen, psychischen und sexuellen Misshandlungen betroffen sind, beziehen ein eigenes Einkommen, gut ein Drittel verfügen sogar über mittlere bis hohe Einkommen. Mehr als 60 Prozent der betroffenen Frauen haben zudem einen mittleren oder hohen Schulabschluss und einen qualifizierten Beruf. 38 Prozent der misshandelten Frauen verfügen über die höchsten Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse (Abitur/Fachabitur oder Fach-/Hochschulabschluss oder Meister/Fachschulabschluss).
Ganz ähnlich sind die Ergebnisse auf Seiten der Täter. Nur drei Prozent der Männer, die ihre Frau schwer misshandeln, haben weder einen Schul-, noch Ausbildungsabschluss. 52 Prozent der Täter verfügen über niedrige und mittlere Abschlüsse und 37 Prozent über die höchsten Bildungs- und Ausbildungsgrade. Männer, die in ihrer aktuellen Beziehung schwere körperliche, sexuelle und psychische Gewalt ausüben, sind zudem mehrheitlich berufstätig und nicht von Sozialleistungen abhängig. Rund zwei Drittel von ihnen leben mit ihren Partnerinnen in Haushalten mit mittlerem oder gehobenem Einkommen.
Darüber hinaus hat die große Mehrheit der Männer und Frauen in Gewaltbeziehungen keinen Migrationshintergrund. Gewalt, auch schwere Gewalt in Paarbeziehungen, ist, wie die Untersuchung zeigt, nicht ein Problem sozialer Randgruppen, sondern findet bislang weitgehend unbemerkt in der Mitte der Gesellschaft statt.
Die Untersuchung "Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen" basiert auf der repräsentativen Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland", die 2004 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellt wurde. Für die Studie waren mehr als 10.000 Frauen befragt worden. Diese umfangreichen Daten wurden für die nun vorliegende Untersuchung "Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen" neu ausgewertet, um genauere Aussagen über Ausmaß, Schwere und Kontext von Gewalt gegen Frauen zu ermöglichen.
Weitere Infos zum Thema:
Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
www.bmfsfj.de
Servicetelefon: 01801 90 70 50
Wann können Sie anrufen? montags bis donnerstags von 9 - 18 Uhr
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"Edel sei das Opfer, hilflos und gut!?", Broschüre zum Thema "Sexuelle Gewalt"
"Schrei" von Hélène Duffau und "Claire. Protokoll einer Abhängigkeit" , zwei Bücher über das beschädigte Leben nach sexualisierten Übergriffen.
Quelle: PM, 06.03.09